Der logistische Wendepunkt
Im Jahr 1885 setzte die Frankenthaler Firma Kaufmann, Strauß und Co. einen bedeutsamen Schritt in ihrer Unternehmensgeschichte. Mit dem Erwerb eines ausgedehnten Geländes direkt am Rhein in Ludwigshafen verfolgte das Unternehmen das Ziel, die Transportwege ihrer Waren zu optimieren. Bis dato war die Mälzerei gezwungen, ihre Produkte von Frankenthal aus über einen längst verschwundenen Kanal und kleine Schiffe zum Rhein zu befördern.
Dieser Prozess erwies sich als zeitraubend und kostspielig. Um die Wege zu verkürzen, verlagerte die Firma ihren Hauptsitz nach Ludwigshafen und gründete dort die Walzmühle. Die Planung und Umsetzung des Gebäudes lag in den Händen des Bezirksbaumeisters Adolf Lipps, und bereits 1886 konnte das Werk seinen Betrieb aufnehmen.
Innovative Technik als Schlüssel zum Erfolg
Das Unternehmen erlebte von Anfang an einen regen Aufschwung. Dies zeigte sich nicht nur an der erzeugten Menge an Mehl – in den ersten Jahren waren es rund 3.000 Zentner pro Woche – sondern auch an der Anzahl der Angestellten, die zwischen 1885 und 1901 um das Vierfache anwuchs.
Innovativste Technik spielte eine entscheidende Rolle: Der Name „Walzmühle“ leitete sich von den bahnbrechenden Walzenstühlen ab, die von Dampfmaschinen angetrieben wurden und das Getreide effizient zerkleinerten. Die gesamte Produktionskette, von der Anlieferung bis zum Abtransport, war durch umfassende Automatisierung höchst effektiv organisiert.
Die Feuernacht von 1905 und der Wiederaufstieg
Doch im Dezember 1905 ereilte das Unternehmen ein harter Schlag, als eine Explosion von Mehlstaub einen verheerenden Brand auslöste und die Mühle fast vollständig vernichtete. Bis auf das Silo waren sämtliche Gebäude auf die Grundmauern niedergebrannt. Doch der Rückschlag währte nicht lange.
Bereits ein Jahr später präsentierte sich die Walzmühle in neuer Pracht. Unter der Federführung von Adolf Lipps entstand ein modernes Gebäudeensemble, ausgestattet mit topaktueller Technologie und einem erweiterten Produktsortiment. Der Neustart glückte, das Unternehmen erholte sich rasch und der Ruhm der Walzmühle drang über Landesgrenzen hinaus.

Bild: Löscharbeiten an der Walzmühle nach dem Brand im Dezember 1905
Ein Denkmal der Industrie und seine Herausforderungen
Die Walzmühle meisterte bis Mitte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Herausforderungen. Zwei Weltkriege beeinträchtigten die Produktion erheblich, da Überseelieferungen von Getreide ausblieben. Zudem trugen Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zur Beschädigung bei. In den 1920er Jahren geriet das Unternehmen wirtschaftlich in eine kritische Phase, ausgelöst durch den Börsenkrach und die nachfolgende Weltwirtschaftskrise.
Nur dank des Engagements der Gesellschafter konnte die drohende Schließung abgewendet werden. 1961 wurden Teile der Mühle stillgelegt, lediglich die Grießproduktion lief weiter. Doch im Juni 1985, exakt 100 Jahre nach ihrer Inbetriebnahme, erfolgte die endgültige Stilllegung der Walzmühle. Der Großteil des Komplexes wurde abgerissen und durch moderne Bauten ersetzt.
Ein Erbe in Jugendstilfassade und Ernst-Bloch-Zentrum
Trotz des Wandel der Zeit sind bis heute beeindruckende Überreste der Jugendstilfassade erhalten geblieben. Auch die ehemalige Direktorenvilla, nunmehr Standort des Ernst-Bloch-Zentrums, zeugt von einem Unternehmen, das einst für Ludwigshafen von großer Bedeutung war. Die Walzmühle bleibt ein beeindruckendes Kapitel in der Industriegeschichte der Region.



Quellen: Ludwigshafen